Erklärung der Hizmet-Bewegung Deutschland – Europa, Deutschland und der Antisemitismus

sdub, Hizmet, Gülen-Bewegung

Eine Aufgabe auch für demokratische Muslime

„Europa steht firm gegen alle Formen des Antisemitismus. Jüdisches Leben ist und wird immer Teil der europäischen Gesellschaften und unserer Lebensweise sein“, erklärte EU-Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas, nachdem die EU-Staaten einstimmig eine gemeinsame Erklärung zur Bekämpfung des Antisemitismus abgegeben hatten. Es war die Bekräftigung einer Erklärung, die schon zwei Jahre zuvor von denselben Staaten abgegeben worden war. 2018 hatte man damit Entschlossenheit zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Entwicklung eines gemeinsamen Sicherheitskonzepts zum besseren Schutz jüdischer Gemeinden und Einrichtungen in Europa zeigen wollen. Dass man die Erklärung dieses Jahr wiederholen musste, zeigte aber, dass man gescheitert war – oder jedenfalls bislang wenig Erfolge vorzuweisen hat.

Europa hat ein ernsthaftes und erschreckendes Antisemitismus-Problem, so hatte es Ronald S. Lauder, Präsident des jüdischen Weltkongresses WJC, Anfang 2020 formuliert. Die EU-Erklärung begrüßte er deswegen als „deutlichen Schritt, Europa zu einem besseren Ort für Juden zu machen.“ Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland äußerte sich positiv zur Entwicklung.

Doch Fakt ist, dass seit dem Einzug rechtspopulistischer Parteien in den Bundestag auch in Deutschland antisemitische und rassistische Aussagen in der Öffentlichkeit wieder salonfähig geworden sind. Es scheint, als hätte man aus der Geschichte nichts gelernt! Diesem wachsenden Hassklima Einhalt zu gebieten, Courage im öffentlichen Raum zu zeigen und sich mit jüdischen Mitmenschen zu solidarisieren, ist heute wichtiger denn je.

Hizmet-Engagement für interreligiösen Dialog in Deutschland

Die Hizmet-Engagierten in ganz Deutschland, stehen dabei vor einer doppelten Herausforderung: Denn wenn wir als Muslime öffentlich Antisemitismus anprangern, wird uns entgegengehalten, wir würden die antisemitischen Ressentiments in unseren eigenen Reihen missachten oder unterschätzen. Ja mehr noch: Es wird behauptet, wir Muslime hätten als Migranten den Antisemitismus erst nach Deutschland „importiert“.  Deswegen möchten wir erneut herausstellen, dass interreligiöser Dialog und das Menschenrecht auf Religionsfreiheit in unserer Grundüberzeugung tief verankert sind.

„Berge kommen nicht zusammen, aber Menschen“, sagt ein jüdisches Sprichwort. In diesem Geist schaffen Hizmet-Engagierte seit vielen Jahren Momente der Begegnung – sowohl auf lokaler, als auch auf Bundesebene. Solche Zusammenkünfte schaffen ein besseres Verständnis füreinander und ermöglichen die Überwindung von Vorurteilen und Berührungsängsten. Zeitzeugengespräche, die BDDI-Konferenz zum Thema „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ und mehrere Dialogreisen nach Israel waren für alle Teilnehmenden sehr bewegend und nachhaltig. Auch sind es Hizmet-Engagierte, die stellvertretend für die Muslime in Deutschland das in jeder Hinsicht wegweisende interreligiöse Gemeinschaftsprojekt House of One unterstützen.

Die Haltung Gülens

Trotzdem wird dem Inspirator der Bewegung, Fethullah Gülen, vor allem in türkischen Kreisen Antisemitismus vorgeworfen. In der Türkei beschuldigen sie ihn, Freund Israels und der Juden zu sein. Im westlichen Ausland hingegen verbreiten sie den Vorwurf, er sei antisemitisch. In einem Interview mit The Atlantic aus 2013 wird Fethullah Gülen gefragt wie er zu früheren Aussagen über Juden oder Israel in seinen Predigten stehe, die als antisemitisch empfunden werden. Gülen antwortet:

Zum einen ist es einem Menschen jederzeit möglich, in seinen Gedanken und seiner Meinung eine Entwicklung zu durchlaufen. In einem Artikel, den ich vor Jahren geschrieben habe, habe ich gefragt: Bist du heute derselbe Mensch wie gestern? Und sind deine Gesprächspartner die gleichen Leute wie gestern? Weder bist du genau dieselbe Person noch deine Gesprächspartner, was bedeutet, dass morgen keiner von euch dieselbe Person sein wird.

Die Handlungen und Einstellungen Ihrer Gesprächspartner wirken sich auf Ihre Ansichten und Äußerungen aus. Während des interreligiösen Dialogprozesses der neunziger Jahre hatte ich die Gelegenheit, Praktizierende nichtmuslimischen Glaubens besser kennenzulernen, und ich hielt es notwendig, meine Äußerungen aus früheren Perioden zu revidieren.

Ich gebe aufrichtig zu, dass ich einige Verse im Koran und prophetische Sprüche missverstanden haben könnte. Ich erkannte und erklärte dann, dass die Kritiken und Verurteilungen, die im Koran oder in der prophetischen Tradition zu finden sind, nicht gegen Menschen gerichtet sind, die einer religiösen Gruppe angehören, sondern gegen Charakterzüge, die jeder Mensch aufweisen kann.

Wer sich intensiver mit Gülens Schriften und Handeln beschäftigt, kann Bestrebungen für einen muslimisch-jüdischen Austausch bereits viel früher entdecken: Schon in jungen Jahren lauschte er in Edirne samstags aus der letzten Reihe in der Synagoge dem Minjan, dem jüdischen Gottesdienst . Und als einer der ersten, wenn nicht als der erste muslimische Glaubensvertreter in der Türkei überhaupt suchte er den Dialog mit Vertretern der jüdischen Gemeinde in der Türkei und organisierte 1996 ein Treffen mit dem türkischen Oberrabbiner David Aseo und dem israelischen Oberrabbiner Eliyahu Bakshi Doron.

Unsere Hizmet-Vision

Die deutsche Hizmet-Bewegung wird im Austausch mit Hizmet-Engagierten in aller Welt weiterhin den Weg des interreligiösen Dialogs gehen, Antisemitismus entschieden entgegentreten sowie jeder Art von Ausgrenzung aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache oder Religion. Wir können nur miteinander, nicht gegeneinander eine Welt in Frieden und Respekt für die nachfolgenden Generationen hinterlassen – gemeinsam mit Herz und Verstand.