Stellungnahme: Ein Jahr Erdogans Putsch

Der 15. Juli wird als ein tragischer Tag in die türkische Geschichte eingehen. Es ist der Tag des verächtlichen Putschversuchs, an dem Hunderte unserer Mitbürger ihr Leben verloren und Tausende verletzt wurden. Ich nehme den Jahrestag als Anlass, um dieses grausame Unterfangen und die verursachenden Täter erneut zu verurteilen sowie den Angehörigen, die bei diesem schmerzlichen Geschehnis ihre Verwandten und Nahestehenden verloren haben, mein Beileid zu bekunden.

Leider mussten wir mit ansehen, wie die Leben von zehntausenden Unschuldigen nach den schändlichen Vorfällen zerstört wurden. Auf Anordnung der Regierung wurden Menschen rechtswidrig entlassen, in Gewahrsam genommen, verhaftet und sogar gefoltert. Nach wie vor wird jeder, der als illoyal gegenüber Recep Tayyip Erdogan und dem Regime scheint, von der Regierung mittels einer beispiellosen Hexenjagd seiner fundamentalen Menschrechte beraubt und verliert damit jegliche wirtschaftliche und soziale Lebensgrundlage.

Mit großer Betroffenheit musste ich im vergangenen Jahr erleben, wie die Regierung zehntausende Mitbürger in der einen oder anderen Weise mit mir sowie der Hizmet-Bewegung in Verbindung gebracht und die zugewiesene Verbindung als eine Straftat dargestellt hat. Die Beschuldigungen gegen mich bezüglich des Putschversuchs sind völlig haltlos und Ausdruck einer politisch motivierten Verleumdung. In punkto Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundfreiheiten wird die Türkei zunehmend zu einem der repressivsten Staaten der Erde, nicht zuletzt aufgrund des rechtswidrigen Umgangs der Regierung mit seinen unschuldigen Bürgern. Erneut rufe ich dazu auf, eine unabhängige und internationale Untersuchungskommission ins Leben zu rufen. Diese Kommission sollte die Geschehnisse rund um den 15. Juli aufarbeiten und die Schuldigen der Justiz übergeben. Falls die Kommission gegen mich urteilen sollte, bin ich nach wie vor bereit, in mein Land zurückzukehren.

Die türkische Regierung vertuscht, dass Staatschefs von den gegen mich gerichteten Beschuldigungen nicht überzeugt werden konnten. Stattdessen werden Mitbürger  durch von Medienpropaganda verbreiteten Verschwörungstheorien irregeleitet. Tragischerweise ist das türkische Volk von der Informationsfreiheit abgeschnitten und wird mit Hassbotschaften mobilisiert. Im 20. Jahrhundert haben totalitäre faschistische und kommunistische Regimes bestimmte Gruppen als Sündenböcke stigmatisiert und verfolgt. Bisher haben nur wenige bemerkt, dass Hizmet-Engagierte in sehr ähnlicher Weise zum Sündenbock gemacht werden.

Demokratie kann nicht mittels Gewalt erlangt oder beschützt werden. Selbst wenn politische Führer die Grundrechte ihrer Bürger verletzen und Tyrannei ausüben, dürfen sie nicht durch undemokratische Maßnahmen gestürzt werden. Obwohl die Anzahl der Opfer sowie die erlittene Unterdrückung eine in der türkischen Geschichte nie dagewesene Dimension erreicht hat, hat sich kein Hizmet-Engagierter der Gewalt bedient. Trotz allem bemühen sie sich, ihre Rechte weiterhin auf friedlichem Wege einzufordern. Falls manche vor dem Hintergrund dieser Tatsachen immer noch an der Rechtstreue dieser Menschen sowie deren Verbundenheit zu Frieden und Eintracht zweifeln, kann dies nur mit einer Verblendung durch Vorurteile begründet werden.

Meine Hoffnung ist, dass die türkischen Intellektuellen ihre Stimme erheben und sich mit allen Opfern der Unterdrückung solidarisieren. Die Justiz sollte, ungeachtet des politischen Drucks, keinesfalls von universellen Rechtsprinzipien abrücken. Möge Gott, der Allerbarmer und Allbarmherzige, uns schnellstmöglich aus dieser dunklen Zeit führen und Tage des Friedens und der Geborgenheit über dieses segensreiche Land bringen.